Wanderungen in Siebenbürgen
- Im Bärenreservat von Zarnesti
- Wandern im Bucegi- und Fagaras-Gebirge
- Abendessen bei Bergbauern
Bukarest gibt uns zu Beginn unserer Rundreise einen Vorgeschmack auf das, was man in Rumänien an Kontrasten erwarten darf. Die Hauptstadt hat mehr Gesichter, als man in einigen Tagen entdecken kann. Hier bröckelnde Betonbauten, Plattenbaumonster und Zeugnisse spätsozialistischer Gigantonomie, dort Stuckfassaden, Jugendstildächer, Parks, Bio-Märkte und versteckte Museums-Synagogen. Die Narben scheinen zu heilen in Bukarest und alter Glanz gesellt sich zu neuem Reichtum. Im ehemaligen Händlerviertel Lipscani kommt man dem alten Bukarest noch am nächsten, die reich geschmückten Hauseingänge, die Nationalbank und vor allem die restaurierte Stavropoleos-Kirche lassen uns erahnen, wie pulsierend die Stadt vor dem zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit gewesen sein muss. Übrigens: Wer etwas Zeit hat, sollte sich auf die Spuren des jüdischen Bukarest machen. 100.000 Juden lebten vor dem Holocaust in der Stadt, einige der ehemals 104 Synagogen erstrahlen heute als Museum wieder in neuem Glanz.
Bukarest macht zu Anfang einer Rundreise Lust auf mehr Rumänien und diese Lust stillen wir außerhalb der Hauptstadt im Südosten des Landes. Rumäniens große Erzählstränge, das sind die landschaftliche Vielfalt der Trias Karpaten, Hochland und Donaudelta, das sind Jahrhunderte von Eroberung und Freiheitskampf, das sind die Geschichte Siebenbürgens und natürlich die Legende von Vlad Tepeş, dem Pfähler, der uns eher als Dracula bekannt ist. Aber fangen wir am Anfang an und lassen wir uns vom Schicksal in die Walachei schicken. Gut meint es das Schicksal mit uns! Denn wir erleben ein unentdecktes landschaftliches Juwel sondergleichen. Am Rande der Hochkarpaten gelegen, an die Donau grenzend und in die rumänische Tiefebene auslaufend, wirkt die historische Landschaft bei unserer Rundreise wie Rumänien en miniature. Und in Curtea de Argeş, dem alten Fürstenstädtchen und der Grablege der rumänischen Könige, können wir uns in der Klosterkirche gleich einem der wichtigen Themen der Geschichte des Landes widmen: der Auseinandersetzung mit dem Islam und den Osmanen. Was vielfach in Krieg und Konfrontation mündete, zeigt sich in der Kirche des frühen 16. Jahrhunderts als verspielte und überbordende Ornamentik mit klarer orientalischer Note. Ungewöhnlich in einer Zeit, in der Europa unter dem Ansturm der Osmanen nach der Schlacht von Mohács 1526 drohte, zusammenzubrechen. Predeal und Sinaia zeigen uns während unserer Rundreise die spektakuläre natürliche Seite Rumäniens und der Karpaten. Wälder, Berge, Luftkurorte der k.-u.-k.-Monarchie. Hier lässt es sich aushalten. Vielleicht auch gerade weil die Region obendrein für ihre Population an Braunbären bekannt ist. Rund 6.000 gibt es im ganzen Land.
Unsere Rundreise führt uns ins Herz Rumäniens. Je nachdem, ob das Herz eher für Schauergeschichten oder für das historische Erbe schlägt, sind wir in Transsilvanien oder Siebenbürgen. Ein Landstrich, der lieblicher und wilder, wehrhafter und blutrünstiger nicht sein kann und doch vor allem eines ist: wunderschön grün. Dem wehrhaften Siebenbürgen kann man sich beim Besuch der Kirchenburgen nähern, den trutzigen Zeugnissen des Kampfes der Religionen: In der Kirchenburg von Axente Sever/Frauendorf sehen wir den imposanten dreigeschossigen Glockenturm, in der Kirchenburg Biertan/Bierthälm mit ihren drei Wehrmauern und sechs Türmen das mächtigste Befestigungswerk. Beide wurden Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut, als die Türken drohten, dass Land zu überrollen. Beide überlebten nicht zuletzt, weil Siebenbürgen 1542 für mehr als 150 Jahre Vasall der Hohen Pforte wurde. Für die blutrünstige Seite Siebenbürgens steht Vlad Tepeş Pate, der als Dracula in die Literaturgeschichte einging. Vieles was wir heute zu wissen glauben, entstammt der Feder des Iren Bram Stoker, der selbst nie in Rumänien war. Karl May lässt grüßen. Was wir aber wissen, ist das: Vlad Tepeş lebte als Kind als Geisel am osmanischen Hof und kehrte als knallharter Kämpfer gegen die Türken in seine Heimat zurück. Weil er angeblich 20.000 türkische Soldaten aufspießen ließ, erhielt er den Beinamen „Pfähler“. Soviel ist sicher, alles andere viktorianische Phantasie. Sprechen wir schließlich von den Sachsen, die eigentlich, als sie im 12. Jahrhundert in das Land gelockt wurden, auch Rheinländer, Westerwälder und Niedersachsen waren. Sie machten aus Transsilvanien Siebenbürgen, machten die Region reich und fruchtbar und wurden dafür mit den weitreichendsten Freiheiten seiner Zeit ausgestattet – win-win im Mittelalter. Wenn uns unsere Rundreise durch Rumänien nach Brasov/Kronstadt, Agnita/Agnetheln oder Sibiu/Hermannstadt bringt, lernen wir auch die liebliche Seite Siebenbürgens kennen und entdecken ein Stück rumänisch-deutscher Geschichte. Übrigens: Wussten Sie, dass der aktuelle Präsident Rumäniens, Klaus Johannis, Siebenbürger Sachse ist?
Beenden wir unsere Rundreise durch die Landschaften Rumäniens mit einem Schlenker durch den Osten des Landes von Nord nach Süd. Moldau im Nordosten des Landes ist das Zentrum der rumänischen Orthodoxie. Rund 86 Prozent der Bevölkerung sind heute Orthodoxe. Und nicht nur sie bewundern die spektakulären und filigranen Fresken der Klöster Voronet, Neamt, Agapia und Varatec. Im Kloster Moldovitca fragen wir bei den Nonnen nach: „Wie lebt es sich in einem Kloster?“ Denn auch das ist Rumänien. Der Süden Moldaus, mit seinen sanften Landschaften und üppigen Weingärten, stimmt uns auf die letzte Etappe der Rundreise durch Rumänien ein: Wir erreichen die Donau und das Donaudelta, das größte Europas. Hier endet also die Reise des mehr als 2.850 Kilometer langen Flusses auf seinem Weg von Donaueschingen ans Schwarze Meer. Ein Meer von Pflanzen, kleinen Inseln und Wasserarmen, beherrscht von Schwärmen von Pelikanen – hätten wir uns Rumänien so vorgestellt? Sicher nicht!